Off record

Fisch im Glas

Die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings hatten sich gerade gezeigt, als ich so aus dem Fenster schaute. Das Aquarium, durch das ich halb hindurch blickte, da es sich direkt vor dem großen Fenster befand, konnte auch ein wenig Frühling vertragen, dachte ich bei mir. Eigentlich hatte ich schon lange vor, den Fischbestand aufzustocken, aber in den letzten Wochen einfach keine Zeit dafür. Ein Spaziergang würde nicht schaden und wenn ich dabei auch noch ein paar Neonsalmler einsacken konnte, umso besser.

Guter Dinge befragte ich also das Internet, um herauzufinden, wo sich hier in Wien-Landstraße wohl ein passender Neonfisch-Lieferant befinden könnte. Google war wieder einmal eine große Hilfe und zeigte mir gleich die Zoofachhändler in meiner Umgebung auf. Ein Laden namens Aquaristico oder so ähnlich befand sich ganz in meiner Nähe, nicht einmal 15 Minuten Fußweg von mir. Keine Webseite, keine E-Mail-Adresse, aber zumindest nahe, dachte ich mir. Also machte ich mich auf den Weg.

Ein paar Ecken und Zebrastreifen weiter, kam ich also an dem kleinen Ecklokal an und schritt die drei Stiegen hinauf. Schon beim Betreten des Geschäfts stand ich quasi einem Verkäufer gegenüber, der mich kurz begrüßte. Das Lokal war nämlich ein richtiges Fischglas, wenn man so will, der Hauptverkaufsraum vielleicht 5×5 Meter, dabei aber durch Aquarien, Regale und den Kassentisch voll gestellt, die Lager zu gleich zu sein schienen. Dem Vernehmen nach handelte es sich um den Besitzer, der mich da kurz und knapp grüßte. Nachdem ich einen Blick in die Aquarien geworfen hatte und meinen Wunsch nach 15 Neonsalmlern verlautbart hatte, machte sich der Mitfünfziger daran, die Fische in den Beutel zu bekommen, was mir die Möglichkeit gab, mich ein wenig näher umzusehen.

Mit Sicherheit war hier jemand mit Leidenschaft am Werk, dachte ich mir, doch eine Leidenschaft, die wohl nicht von jedem gesehen wird. Dennoch machte das Ladenlokal einen sehr vernachlässigten Eindruck auf mich. Ich machte mir so meine Gedanken, so ruhig wie der Besitzer war, gab es wohl nicht viel Kundenverkehr, mit dem man Gesprächsaustausch finden könnte. Wer weiß, ob er eine Frau hatte. Es machte nicht den Eindruck, als würde ihm jemand im Nacken sitzen außer vielleicht seine Buchhaltung. Als Unternehmer dachte ich sofort in Verbesserungslösungen, was mir womöglich als Kunde gar nicht zustand.

Man könnte wohl die Produkte ein wenig struktuierter präsentieren und ein paar Blenden um die alten Regale abzudecken kosten nicht die Welt, dachte ich mir. Ob der Besitzer wohl wusste, welche Möglichkeiten das Internet ihm bieten könnte? Wahrscheinlich sah er das eher als seine Konkurrenz, denn als Vertriebsunterstützung an. Eine einfache Webseite oder wenigstens ein kostenloser Blog auf einem freien Portal, in dem er Tipps und Tricks rund um Aquaristik geben könnte, die er sich in den Leerlaufzeiten im Laden zusammen notieren könnte. Dazu natürlich Bilder der neu eingetroffenen Fische und Produkte! Und Aktionsangebote.

Das alles würde ihm nur seine eigene Zeit kosten. Auch eine facebook-Fanpage wäre schnell eingerichtet. Ein Gefällt Mir Button im Schaufenster wäre schnell aufgeklebt und ich bin 100-%-ig überzeugt, dass die ganzen Schuljungen, die hier vorbei gingen, schnell einmal den Laden auf facebook geliked hätten. Fast sah der Verkäufer eigentlich so aus, als wäre er ein begeisterter Hobbyfilmer. Ich weiß nicht, warum mir diese Assoziation kam. Aber wenn es so war, dann träfe sich das ideal. YouTube-Videos wären schnell erstellt. „Wie platziere ich meinen Aquariumfilter ideal?“, „welche Fische vertragen sich miteinander?“ und noch viele weitere Videos könnte er in den Pausen drehen und kostenfrei auf YouTube online stellen.

Schnell könnte er sich und seinen Shop wohl mit einem Expertenstatus versehen und auch die Kundschaft hätte eine Hürde weniger, um den Laden zu besuchen, da die Vertrauensebene bereits hergestellt wäre… Nun ja, so weit dazu. Meinen Fischen geht es übrigens prächtig. Vielleicht komme ich ja wieder einmal bei ihm vorbei.